Objekt des Monats Mai 2023
24teiliger Farbtonkreis von Wilhelm Ostwald
Anfang 1914 nahm Wilhelm Ostwald den Auftrag des Deutschen Werkbundes an, eine universelle Farbkarte auszuarbeiten. Er wollte ein objektives System zur Ordnung, Systematisierung und Normung der Farbe schaffen: Seine Farbtonkreise, Farbdreiecke und der Doppelkegel mit Ausmischungen in Weiß und Schwarz sollten die exakte Bestimmung eines jeden Farbtons erlauben. Diese Aufgabe wuchs unter seinen Händen zu einem wissenschaftlichen und künstlerischen Themenkomplex, der ihn bis zu seinem Lebensende im April 1932 beschäftigte. Dazu gehört als grundlegendes Element auch der 24teilige Farbtonkreis.
Wilhelm Ostwald führte den besonderen Ausdruck der „Vollfarbe“ ein, worunter er eine ideale Farbe verstand, die einen einzigen Farbton wahrnehmen ließ und keine Beimischung von Weiß oder Schwarz enthielt. Er sieht die Vollfarbe als eine optimal reine Farbe, das heißt, sie ist möglichst gesättigt und zudem gleichzeitig hell. Über die Mischung von Komplementärfarben zu neutralem Grau konnte er für jeden Farbton die zugehörige Gegenfarbenpaare bestimmen und sie entsprechend ihrer Gegensätzlichkeit einem Farbkreis zuordnen. Diesen definierte er schließlich mit 24 Vollfarben.
Ostwald ordnete die Vollfarben auf einem Kreis an, der sich an dem System des Hirn- und Wahrnehmungsforscher Ewald Hering (1834–1918) orientiert, mit vier Grundfarben in den orthogonalen Achsen. Im Norden mit Gelb, Rot im Osten, Blau (Ultramarinblau) im Süden und Seegrün im Westen. Vier weitere Farben werden anschließend zwischen diese Hauptfarben gesetzt. Orange, welches Wilhelm Ostwald Kress nennt und sich zwischen Gelb und Rot befindet. Violett, welches er als Veil bezeichnet, liegt zwischen Rot und Ultramarinblau, Eisblau zwischen Ultramarinblau und Seegrün und Laubgrün zwischen Seegrün und Gelb. Die Farben sind dabei so angeordnet, dass sich Gegenfarben gegenüberstehen, also Farbpaare, deren Mischung ein neutrales Grau ergibt: Gelb mit Ultramarinblau, Kress (Orange) mit Eisblau, Rot mit Seegrün und Veil (Violett) mit Laubgrün. Zwischen den oben aufgeführten benachbarten acht Farben ordnet Wilhelm Ostwald die als Mischung aus denselben entstehenden Farben an. Schließlich ergeben 24 Vollfarben in gleichen Wahrnehmungs-Abständen den Farbenkreis, der von Gelb als hellster Vollfarbe ausgehend nummeriert ist.
Dazu schrieb Wilhelm Ostwald in der von ihm verfassten Farbenfibel um 1917: „Durch jedes Paar von Gegenfarben wird der Farbtonkreis in zwei Halbkreise geteilt. Geht man von dem Paar Gelb-Blau aus, so befinden sich auf der ersten Hälfte die Farben Gelb, Kreß, Rot, Veil bis Ublau (Ultramarinblau) mit allen Übergängen. Auf der anderen Hälfte liegen Ublau und Eisblau nebst Seegrün und Laubgrün mit ihren Übergängen. Jede Hälfte wird nun weiter nach dem Grundsatz geordnet, daß irgendwelche zwei Farben zu gleichen Teilen gemischt die Farbe bestimmen, welche zwischen ihnen in der Mitte liegt. Aus dem so entstehenden stetigen Kreise werden 24 Stufen gleichen Abstandes gewählt, welche die Nummern 1 bis 24 erhalten. Alsdann entfallen auf jede der acht Hauptfarben drei Stufen, nämlich 1 bis 3 auf Gelb, 4 bis 6 auf Kreß, 7 bis 9 auf Rot. 10 bis 12 auf Veil, 13 bis 15 auf Ublau, 16 bis 18 auf Eisblau, 19 bis 21 auf Seegrün, 22 bis 24 auf Laubgrün.“
Ausgehend von diesem Farbkreis lassen sich durch Ausmischungen mit Weiß und Schwarz alle gewünschten Farbtöne der Vollfarben in einem gleichseitigen Dreieck erfassen. Fügte man die 24 Vollfarben mit den angeordneten Dreiecken zusammen, entstand ein dreidimensionaler Doppelkegel, der die Gesamtheit aller Farben des Ostwald-Systems in sich vereinigte.