Objekt des Monats Juli 2021
Onkel Svante und die Physikalische Chemie


Wissenschaftler und Freund der Familie
„Ich werde in meinem ganzen Leben den Tag nicht vergessen, an welchem ich zum ersten Male den Namen Svante Arrhenius (*19.02.1859 †02.10.1927) kennen lernte. Ich hatte damals – es war im Juni 1884 – an jenem einen Tage gleichzeitig ein böses Zahngeschwür, ein niedliches Töchterchen und eine Abhandlung von Svante Arrhenius mit dem Titel Études sur la conductibilité des électrolytes bekommen. Das war zu viel, um auf einmal damit fertig zu werden und ich hatte eine fieberhafte Nacht mit schlechten Träumen davon.“
Der sechs Jahre jüngere Dr. Svante Arrhenius, um dessentwillen die Reise 1884 ins schwedische Uppsala von Ostwald unternommen wurde, war äußerlich eine Überraschung: „er erinnert mehr an einen Eleven der Landwirtschaft als an einen theoretischen Chemiker.“ Wohlbeleibt, weißblond, blauäugig und von roter Gesichtsfarbe war er ein Urbild der Gesundheit und Lebensfreude durch all die Jahrzehnte, die er für die Ostwaldkinder der geliebte, lustige Onkel Svante war. Und doch hat ihn Ostwald um fünf Jahre überlebt.
Onkel Svante, wie ihn die Ostwald Kinder nennen durften, hat Ostwald oft besucht; er war und blieb ihnen der liebste aller Onkel. Ob es seine ruhige heitere Gemütsart war, sein gebrochenes Deutsch, was sie lustig fanden, oder seine Geduld, mit der er litt, dass sie in kindlicher Zudringlichkeit auf ihm herumturnten. „… meine Schwester, die später immer scherzhaft aber uns unheimlich dem lustigen dicken Onkel Svante versprochen wurde, so daß wir aufatmeten, als er anderweit heiratete.“
Ostwald und Arrhenius entwickelten u. a. das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz und die Theorie der Dissoziation. Dabei bekam die Theorie der elektrolytischen Dissoziation weitere hilfreiche Belege von dem holländischen Wissenschaftler Henricus van´t Hoff, der sich mit dem osmotischen Druck befasste. Ostwald erkannte, dass diese der elektrolytischen Dissoziation ein eminent wichtiges Hilfsmittel für die Anwendung der Thermodynamik sein könnte und es ergab sich eine enge Zusammenarbeit der drei Physikochemiker, deren Zentrum Ostwalds Zeitschrift für physikalische Chemie und vor allem sein Institut in Leipzig bildete.
Von Leipzig aus reichte Arrhenius 1889 die nun ausgezeichnete Publikation „Über die Reaktionsgeschwindigkeit bei der Inversion von Rohrzucker durch Säuren“ zur Veröffentlichung ein.
„[…] und es begann eine Männerfreundschaft, die weit hinaus über das Leben dieser bedeutenden Wissenschaftler und edlen Menschen gewirkt hat.“
Quelle: Auszüge aus Mein Vater (1953) von Grete Ostwald, sowie aus Lebenslinien (1926) von Wilhelm Ostwald