Objekt des Monats Oktober 2022
Weltformatmesser für Maße I – X
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Der Normenausschuss der Deutschen Industrie veröffentlichte vor einhundert Jahren, am 18. August 1922, die DIN 476 „Papierformate“. Diese definierte erstmals die bis heute üblichen Normen für Abmessungen von Papierbögen. Ausgangsgröße ist das Format DIN A0 mit einer Fläche von einem Quadratmeter, wobei das Verhältnis der beiden Kantenlängen 1 zu Wurzel 2 beträgt. Damit wurde eine bereits Jahrhunderte zuvor angestoßene Entwicklung manifestiert, zu der Wilhelm Ostwald in der Schlussphase wesentliche Anteile beigetragen hatte.
Ostwald publizierte nicht nur selber in großer Menge Bücher und Aufsätze, er war auch Herausgeber von Fachjournalen und sammelte nationale wie internationale Literatur. Selbst wenn sich im Druckgewerbe bereits tradierte und im Gebrauch bewährte Papiergrößen etabliert hatten, waren diese doch nicht normiert und damit individuellen Umständen oder Vorlieben der Verleger, Drucker und Autoren überlassen. Ostwald strebte gerade auch mit dem Blick auf einen rasant ansteigenden weltweiten Wissensaustausch und damit einhergehend der Archivierung der Publikationen eine Vereinheitlichung an. Er griff dabei auf ältere Überlegungen zurück, zum Beispiel von Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799). Für die vereinheitlichte und somit materialeffiziente Herstellung von Büchern und Schriften ebenso wie für die Aufbewahrung in Bibliotheken erschienen bestimmte Voraussetzung notwendig. Alle Formate müssen durch verlustfreie halbierende Faltung bzw. Verdopplung ineinander übergehen und die Formate müssen einander ähnlich sein. Das bedeutet, dass das Verhältnis der Seitenlängen identisch bleiben muss, was durch das oben angegebene Verhältnis gewährleistet wird. Als Ausgangsmaß wählte Ostwald 1 cm als kurze und daraus resultierend 1,41 cm als lange Seite.
Zur Veranschaulichung des Systems entstand ein klappbares Holztableau mit acht einzeln herausnehmbaren Täfelchen im römisch nummerierten „Weltformat“, wie Ostwald sein System bezeichnete. Format IX wird durch das zusammengeklappte und Format X durch das offene Tableau repräsentiert. So entstand ein stabiles, leicht zu transportierendes Muster, wofür – wie häufig bei Ostwald – vorhandene Alltagsmaterialien umgenutzt wurden. Hier handelt es sich um das Holz von Zigarrenkistchen. Gleichzeitig lässt sich mit diesen einfachen Elementen die zugrundeliegende Logik des Weltformats eindrücklich illustrieren. Das Gesamtmaß X von 22,6 × 32,0 cm weicht vom heute gebräuchlichsten Format DIN A4 mit 21 × 29,7 cm etwas ab, nutzt aber das identische Seitenverhältnis. Die Veränderung beruht auf dem Schaffen von Walter Porstmann (1886 – 1959), der 1912 bis 1914 Assistent bei Ostwald war. Während das Grundmaß bei Ostwald auf die Kante mit einem Zentimeter Länge zurückgeht, setzte Porstmann dafür die Fläche mit einem Quadratmeter an. Daraus resultiert auch, dass es bei Ostwald ganzzahlige Vielfache der Seitenlängen gibt, beim DIN-Format hingegen nicht bzw. nur vereinzelt und durch Rundung der rechnerischen Werte entstehend. Ob Porstmann Ostwalds Gedanken missbräuchlich für sich in Anspruch nahm oder tatsächlich einen größeren Eigenanteil an der Entwicklung hatte, wird widersprüchlich bewertet. Wir dürfen heute so oder so von einem logischen und effizienten System profitieren, dass sich in großen Teilen der Welt durchgesetzt hat.